Selbstliebe, schlechte Laune und Depression vor Periode

Über fiese Haralds und die Selbstliebe

Von Susan Reznik (Text) & Silja Elsener (Illustration)

Es ist gibt Tage, da finde ich mich eigentlich ziemlich okay so, wie ich bin. Aber es gibt auch Tage, da finde ich mich wirklich in allen Belangen nur furchtbar. Vor allem an den Tagen vor meinen Tagen.

Nicht, dass ich sonst nicht auch absolute Expertin darin wäre, ja, manchmal bin ich wahrliche Meisterin im Metier des Selbsthasses. Doch meistens häuft sich dieser Zustand die Woche vor meiner Periode an. Dann intensiviert sich dieses Gefühl manchmal bis zur Maxime. Meistens unterteilt sich das Gefühl in ‘zu wenig’: zu wenig schön, zu wenig talentiert, zu wenig sympathisch, zu wenig gute Freundin, Schwester, Tochter, Enkelin, zu wenig guter Mensch. Oder in ‘zu viel’: zu viel für andere, zu viel Raum einnehmend, zu viel Gewicht, zu viel nicht könnend, zu viele Baustellen. Danach bekomme ich meine Menstruation und dieses Gefühl pendelt sich wieder in einen “Eigentlich bin ich ziemlich okay”-Zustand ein.

 

Achterbahn der Hormone

Auch wenn sich das in diesen Momenten immer so anfühlt, als wäre ich die einzige Person auf der Welt, die vor ihrer Menstruation so fühlt, machen viele Menschen mit Menstruation solche Zustände vor ihrer Periode durch. Dieser Zustand des Selbsthasses wird uns durch eine Achterbahn der Hormone in der Zeit vor unserer nächsten Blutung beschert. Dies ist wissenschaftlich folgendermassen erklärbar: Während das Hormon Östrogen vor dem Eisprung für Hochform sorgt, senkt sich der Östrogenspiegel in der zweiten Zyklushälfte und das Hormon Progesteron steigt an. Dass wir vor unseren Tagen, bei manchen sogar bis zu zwei Wochen vor Einsetzen der Menstruation, mit depressiven Verstimmungen zu kämpfen haben, hat also unter anderem mit Neurotransmittern in unserem Gehirn zu tun, die aus dem Gleichgewicht geraten. Warum manche Menstruierende so viel sensibler darauf reagieren als andere, ist bis heute immer noch nicht erforscht.

Klar, es klingt jetzt gerade nicht sonderlich romantisch und spirituell bereichernd, sich darauf zu besinnen, dass wir Menschen neben all unserem Sein auch “nur” ein biologischer Zellhaufen mit vielen komplexen Abläufen sind, die unter anderem von der Ausschüttung und Abwesenheit von gewissen Hormonen beeinflusst werden. Doch manchmal kann dieser Gedanke auch helfen, wenn gerade mal wieder gar nichts richtig zu gehen scheint und wir unsere eigene Existenz bis in jede Faser mit gemeinen Behauptungen und Gedanken über uns selbst befüllen.

 

Radikale Selbstfürsorge

Was hilft also gegen diese Gefühle? Radikale Selbstfürsorge. “Ach die gute, alte Selbstliebe. Wenn das so einfach wäre”, denkst du jetzt vielleicht. Ja, ich weiss, es klingt wie eine Binsenwahrheit und ist leider aus eigener Erfahrung heraus doch schwerer umzusetzen als gedacht. Pickel, Wassereinlagerungen und allfälliger Blähbauch lassen uns fühlen wie eine unbewegliche Kartoffel, die Brüste schmerzen und dann kommt noch die hormonelle Achterbahn dazu. Ziemlich fies, dass uns also all diese Symptome nach der zweiten Zyklushälfte diese Selbstfürsorge und Selbstliebe noch zusätzlich erschweren.

Ich persönlich finde es hilfreich, mir in solchen Momenten, wenn ich in diesen Sog hineinfalle und im Strudel von negativen Gedanken zu ertrinken scheine, bewusst zu machen, dass ich zwar meiner Intuition trauen darf und soll, meinen Gedanken aber auch oft nicht trauen muss. Denn tatsächlich hast du sicher ganz viele schöne, kreative, bereichernde und wichtige Gedanken in deinem Kopf. Aber auch solche, die dich ganz schön fies belügen und Freude daran haben, dich zu erniedrigen.

 

Mein Harald

Stellen wir uns diese gemeinen, verhärteten, piksenden Glaubenssätze und Gedanken als ganz kleine, vor toxischem Schleim triefende, abscheuliche und mit Widerhaken besetzten Monster vor. Die Farbe und Form sollen sich alle selbst vorstellen. Am besten geben wir ihnen noch einen Namen. Meiner heisst Harald. (Sorry an alle Haralds, die sich auf diesem Blog wiedergefunden haben. Ich bin mir sicher, ihr seid ganz lieb und süss.) Jedenfalls ist dieser Harald ein fetter Lügner! He is a liar, darling! Harald will, dass du gemein zu dir bist. Harald nährt sich nämlich von deinen Unsicherheiten und je mehr du Harald zuhörst, desto grösser wird er und umso mehr Harald-Babys setzt er in die Welt (ja, Harald kann sich selbst reproduzieren). Diese finden natürlich noch mehr von deinen Unsicherheiten und flüstern dir noch mehr Gemeinheiten ins Ohr.

Wie gehen wir also gegen diesen Harald und seine Babys vor? Indem wir sie ignorieren? Geht sehr schlecht. Die sind widerspenstig, mit ihren Widerhaken. Vielleicht indem wir sie zwar hören, aber versuchen, ihnen keinen Glauben zu schenken? Das fällt uns oft auch schwer. Was uns persönlich während diesen Tagen am besten gegen unsere Haralds hilft:

  • Yoga machen mit Adriene

  • Weite und bequeme Kleidung tragen

  • Unser Zimmer mit Sandelholz ausräuchern
    Der balsamische Duft reinigt die Luft und vertreibt nicht nur alles Böse aus unserem Zimmer, sondern auch alle bösen Gedanken aus unserem Kopf.

  • Joggen gehen mit der Nike+ Run Club App x Headspace

  • Liebste Musik anmachen und dazu in Unterwäsche durchs Zimmer tanzen.
    Gibt uns ein freies Gefühl und schüttet Endorphine aus. Es wirkt. Wirklich!

  • Tee trinken und Ruhezeiten für uns selbst nehmen

  • Unsere Gedanken aus dem Kopf schreiben
    Ein guter Trick: Ohne zu überlegen, wirklich einfach das, was uns gerade durch den Kopf geht, auf Papier oder im Computer niederschreiben. Dann verbrennen bzw. wieder löschen und dadurch im Kopf ein bisschen Luft schaffen und gleichzeitig ein paar Haralds vertreiben.

  • Mit Kampfsport auspowern
    Damit lassen wir angestaute Frustrationen und Spannungen gezielt ab und tanken neue Energie.

  • Eine Moving Meditation machen mit Gabrielle Roth

  • Lange Spaziergänge machen
    Wir nehmen uns Zeit, um unseren Kopf durchzulüften und in Bewegung zu kommen. Am liebsten spazieren wir durch den Wald, hören dem Pfeifkonzert der Vögel zu und atmen die frische Waldluft ein.

  • Glacé essen bis zum Abwinken, am liebsten diese hier aus dem Alnatura

  • Lieblingsmenschen treffen
    So lenken wir uns von unserer Negativspirale ab und merken, dass wir gemocht werden, selbst wenn wir uns gerade selbst kaum aushalten mögen.

  • Tiefenentspannung dank Yoga Nidra

  • Uns selbst Blumen kaufen und uns an ihrem Anblick erfreuen.

  • Eine Katze knuddeln

  • Der Lust folgen
    Wir gönnen uns, worauf wir gerade Lust haben – egal ob es sich dabei um Essen, ein heisses Bad oder einfach um einen Abend im Bett handelt. Es tut gut, uns nicht einzuschränken. Denn wir wissen, dass wir in diesen Tagen besondere Bedürfnisse haben und diese dürfen sein.

  • Lippenstift auftragen

  • Das Buch lesen, das wir schon lange lesen wollten, eine unterhaltsame Serie schauen oder ein spannendes Hörbuch raussuchen und gemütlich im Bett einkuscheln.

  • Masturbation für eine Extraportion Selbstliebe, am liebsten mit unserem Orgasmusöl für besonders viel Gefühl

  • Zykluswissen bewusst machen
    Uns hilft es sehr, uns dessen bewusst zu sein, was gerade in unserem Körper passiert. Dadurch können wir die Umstände viel besser einordnen und verstehen und wir verurteilen uns nicht mehr dafür. Wir dürfen müde sein und uns zurückziehen. Es ist okay, dass wir uns und unseren Körper gerade nicht mögen – wir wissen, dass das nur eine Phase ist und dass sie wieder vorbeigeht.

Lasst uns vor unserer Periode versuchen, nicht noch gemeiner zu uns selbst zu sein, sondern uns mal ganz lieb selbst zu umarmen und zu flüstern: “Du bist ziemlich okay. Ja eigentlich sogar ziemlich fest gut, so wie du bist. Genauso wie du bist. Du wundervoller Mensch.”

 

(Die Links sind unsere persönlichen Empfehlungen und enthalten keine bezahlten Partnerschaften.)

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